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REZENSION

JUGENDBUCH

Maiya Williams: Die goldene Stunde, Bloomsbury Kinder- und Jugendbuecher, Berlin 2005, 14,90 Euro

Die Geschwister Rowan, 13 Jahre und Nina Popplewell, 11 Jahre, haben vor einem Jahr ihre Mutter bei einem tragischen Unfall verloren. Der Vater der Familie kaempft um seine Existenz in Brooklyn. Rowan vergraebt sich in seiner Computerwelt und Nina, die eine begabte Klavierspielerin ist, huellt sich in konsequentes Schweigen. Der Verlust der Mutter hat beide Kinder tief getroffen und aus dem Gleichgewicht gebracht. Trauerarbeit der besonderen Art werden die beiden in den Ferien in einem verschlafenen Kaff namens Owatannauk in Maine bei den skurrilen Tanten Agathe und Gertrude leisten. Die beiden alten Damen leben ohne Strom und haben in ihrem Haus die merkwuerdigsten Dinge gesammelt. Auffaellig ist, dass die angeblichen Antiquitaeten aus aller Welt oder besser allen Zeiten nicht alt und gebraucht wirken. Schnell kommen die Kinder mit ihren neuen Freunden, den Zwillingen Xanthen und Xavier, den Geheimnissen auf die Spur. In der goldenen Stunde, der Zeit der Daemmerung, koennen sie und die Mitwissenden aus dem kleinen Ort mit einem geheimnisvollen Schluessel auf eine Zeitreise gehen. Doch die Abenteuerlust der Kinder wird erst geweckt, als Rowan und die Zwillinge entdecken, dass Nina verschwunden ist. Sie waehnen das Maedchen im Paris des 18. Jahrhunderts und sind der Meinung, dass sie ein Konzert mit Mozart 1789 in Versaille besuchen wird. Doch die Zeit der Franzoesischen Revolution ist eine besonders gefaehrliche, ereignisreiche und chaotische, denn alle gesellschaftlichen Strukturen brechen auseinander und fuehren zu Terror und Blutvergiesssen. Die Kinder erleben den Sturm auf die Bastille und begegnen den bedeutenden historischen Figuren dieser zeitgeschichtlichen Periode, der Koenigin Marie Antoinette, dem gleichgueltigen Koenig Ludwig XVI., Danton und Robespierre und sind ganz nah an den Zentren der Macht. Auch wenn alle Szenen fiktiv sind und Maiya Williams einiges hinzugedichtet hat, vermittelt sich eine anschauliches Bild der historischen Ereignisse. Zeitgeschichte zum Anfassen! Doch die Ereignisse spitzen sich zu als die Kinder mittels einer Zeitwelle um einige Jahre spaeter im Gefaengnis und vor dem Revolutionstribunal landen und zum Tode durch die Guillotine verurteilt werden. Aber wie in jeder spannenden Geschichte werden die drei im letzten Moment gerettet. Allerdings wissen sie, dass sie sich in ihrer Wahl des historischen Jahres geirrt haben und Nina, sich in eine voellig andere Zeit katapultieren liess. Hier liegt auch die Schluesselszene der Erzaehlung, denn Rowan und Nina lernen durch die Zeitreisen wieder sich selbst kennen und das koennen sie nur an einem Ort. Auch wenn der erhobene Zeigefinger ab und zu nicht zu uebersehen ist, laesst man sich gern auf die zum Teil humorvoll und atmosphaerisch dichte Handlung ein.

Maiya Williams Kinderbuchdebuet und Genremix ist gelungen, denn die amerikanische Autorin versteht es ausgezeichnet zum einen eine spannende, psychologisch ueberzeugende Geschichte zu erfinden und zum anderen, diese mit Fantasyelementen vor historisch wahren Hintergruenden und Kulissen zu verbinden.


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