REZENSION

Januar 2006
Januar 2006
REZENSION

Tilman Spreckelsen ( Hg.): Mein Vater, der Held. Vom Glanz und Elend des Vatertums, Eichborn Verlag, Berlin 2005, 14,90 Euro

" Mein Vater, der Held " ist ein Thema, bei dem jeder mitreden kann, denn Vaeter sind auch nur Menschen. So duerfen sie ihre Staerken und Schwaechen zeigen, denn laengst hat das Bild des pater familias der roemischen Antike - auch wenn es bis in die Neuzeit hineinwirken moechte - ausgedient. Galt vom 16. bis ins 19. Jahrhundert hinein noch die Kultur der Vaterschaft, wo der Herr des Hauses oberste Autoritaet genoss und die Alleinverantwortung fuer die Familie sowie die Erziehung trug, so wich diese gesellschaftliche Vertretung nach aussen langsam im 20. Jahrhundert einer vaterlosen Gesellschaft. Das Vaterbild befindet sich seit langem im Wandel, der Vater ist nicht mehr die unumschrittene Identifikationsfigur und das spiegelt sich auch in der Literatur wider. Heute spricht man vom " neuen Vater ", der anwesend ist, Zuneigung zeigt und vor allem Alltagsverantwortlichkeit traegt. Doch ist das das wirkliche Bild vom modernen Vater?

In vielen von Tilman Spreckelsen ausgewaehlten Geschichten, Gedichten, Briefen und Erinnerungen quer durch die Jahrhunderte, die sich mit der Vaterfigur auseinandersetzen und seiner Beziehung zu den Soehnen wie Toechtern, steht eher der angreifbare, schwache Vater, ob es nun der Vater des Kindes ist oder des schon Erwachsenen. Auch wenn die Vaeter es gut meinen und die Kinder sie gern als Helden sehen moechten, die Zeit der heroischen Taten, der unvoreingenommenen Liebe schwindet. Astrid Lindgren beschreibt in ihrem schmalen Kinderbuch " Madita " sehr eindruecklich den duennhaeutigen Vater, der der Mutter nicht das Wasser reichen kann, wenn es um die trickreiche Bekaempfung von Gefahren geht. Herbert Rosendorfer schildert in " Das Zwergenschloss" die tragische Geschichte eines zu mitfuehlenden, reichen Vaters, der seinem Maedchen eine falsche Welt erbaut, damit sie ihre Kleinwuechsigkeit nicht als Mangel empfindet. Doch der Vater ist so mit der Gegenwart beschaeftigt, dass er die Zukunft und seine eigene Sterblichkeit ausser Acht laesst. Der kleine Nick in Rene Goscinnys Erzaehlung "Ich bin mit Papa einkaufen gegangen" entlarvt Vaters Ueberheblichkeit und Besserwisserei, indem er voellig harmlos und scheinbar unkritisch einfach nur von einem ganz normalen Markteinkauf, denn Maenner lassen sich nicht uebers Ohr hauen, mit dem Papa erzaehlt, der in einem Fiasko enden muss. Ganz unmerklich charakterisiert er mit trockenem Humor seinen steifen Papa, der weder Widerspruch noch Zweifel an seiner Person ertragen kann. Vaeter gehen fremd ( Max Aub: "Vaeter, Brueder "), nehmen ihre Rolle an ( Henry Fielding: " Mr. Allworthy kommt zu einem Knaben"), koennen peinlich sein ( Andreas Mand: " Papa zeigt seine Bilder") oder hadern mit ihrem tragischen Schicksal

( Lessing: " Ein Brief " ). So versuchen die enttaeuschten Kinder auch schreibend den Vater, der ein ewiges Raetsel bleibt, zu verstehen, so in Vance Carvers autobiographischer Geschichte " Mach dir nichts draus, das ist nur eine Geschichte".

Es kann um Hoffnungen gehen, wie in Kurt Tucholskys Gedicht " Auf ein Kind", um langsame Abschiede ( Hans Keilson: " Dissonanzen-Quartett"), aber auch um Toechter oder Soehne, die nie geboren wurden. ( Max Goldt: " Junger Mann, der sich eine Schallplatte gekauft hat").

Es macht Spass, diese Anthologie nach den unterschiedlichsten Vaterfiguren abzusuchen. Ein Buch, dass den Leser lang begleiten kann.

Ein Wermutstropfen bei der Lektuere sind die zahlreichen Druckfehler, die sich leider eingeschlichen haben.

Belletristik
Ian McEwan: Saturday
Jutta Voigt: Der Geschmack des Ostens
Tilman Spreckelsen ( Hg.): Mein Vater, der Held.
Zeruya Shalev: Späte Familie
CD's - CD-ROM

Amos Oz: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

Raumschiffe bauen mit Willy Werkel

Gutenachtgeschichten, Herausgegeben von Gabriele Kreis

Jugendbuecher
Martha Heesen: Die Nacht, als Mats nicht heimkam
Tahar Ben Jelloun: Papa, woher kommt der Haß?
Kinderbuch
Karin Koch, Andre Roesler: Emil wird sieben
Deutscher Spielfilm

"Die Wilden Huehner" nach dem Roman " Fuchsalarm" von Cornelia Funke

Sachbuecher

Erne/Metzger - Mein erstes Lexikon

Dorling Kindersley

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