REZENSION

Mai 2006
Mai 2006
REZENSION

Jugendbuch

Jean-Paul Noziere: total verrueckt, Aus dem Franzoesischen von Maren Partzsch, Altberliner Verlag, 2006, 128 S., 11,90 Euro

Die 14-jaehrige Aicha Djemai bereitet sich auf das Abitur vor. Sie nimmt einige Privatstunden oder geht ab und zu in den Unterricht des College Georges Brassens, in dem sie wohnt und ihre Mutter als Hausmeisterin arbeitet. Aicha leidet unter Epilepsieanfaellen und wurde vom Unterricht befreit. Mit Vorliebe und das praktiziert sie schon seit vier Jahren oeffnet das Maedchen die Post, die an die Direktorin der Schule gerichtet ist. Immer wieder liest Aicha in diesen Briefen von doppelzuengigen Angriffen gegen ihre Mutter und die eigene Familie. So lernt sie nicht nur die Menschen ihrer Umgebung kennen, sie spuert auch die latente Auslaenderfeindlichkeit in dem kleinen, franzoesischen Ort Sponge, unweit von Dijon. Aicha lernt in jeder freien Minute, die ihr ihr aelterer Bruder Mouloud laesst. Mouloud hat sich seine eigene Welt erschaffen. Mal ist er Hund Struppi, dann wieder ein beruehmter Fussballstar oder Ehemann eines dieser wunderschoenen Models aus den bunten Zeitschriften, die er mit Vorliebe betrachtet. Er ist anstrengend, total verrueckt und das hat einen ernsten Hintergrund. Aichas Familie stammt aus Algerien. Ihre Mutter Zohra erzaehlt schweren Herzens von der Vergangenheit. Rassistische Attacken gegen " die Araber ", die lang schon franzoesische Staatsbuerger sind, verfolgen sie im gegenwaertigen Alltag. Doch wohin gehoert sie? Als junges Maedchen wollte sie lernen, Abitur machen, studieren. Die Geschwister, die laengst in Kanada oder Frankreich leben, unterstuetzten ihre Ausbildung. Doch dann fuehlt sich der Vater Zohras immer mehr von baertigen Fundamentalisten im Dorf unter Druck gesetzt. Zohra darf nicht mehr lernen. Die Islamische Bewaffnete Armee terrorisiert im Namen Gottes die unwissende Bevoelkerung. Sie bedrohen Zohra, die inzwischen heiraten musste, und ihre Kinder. Mouloud wird eines der vielen Opfer der islamischen Fanatiker werden. Aicha nimmt jedes Wort der Mutter mit einem Tonbandgeraet auf. Zohra hat sich in den acht Jahren, die sie bereits in Frankreich lebt, angepasst. Sie traegt keine auffaelligen Kleider, spricht ausgezeichnet die franzoesische Sprache und versucht ihren Traum von Frankreich, „dem Paradies auf Erden", aufrecht zu erhalten. Und doch spuert sie, dass sie auch hier nicht zu Hause ist. Die Direktorin steht loyal auf Zohras Seite, doch als eine grosse Zahl der Einwohner die extreme Rechte waehlt, bittet sie die Hausmeisterin ihre Stelle aufzugeben. Aber die Familie laesst sich nicht unterkriegen. Die kluge Aicha wird ihr Abitur schaffen.

Aicha ist der Licht- und Hoffnungsschimmer in dieser so leicht geschriebenen, wie ernsthaften Geschichte, die tief beruehrt. Aicha legt den Finger auf die vielen Wunden, mit denen die Djemais leben muessen.

Jean-Paul Noziere gewaehrt dem Leser einen Blick in das Innenleben einer Migrantenfamilie. Er thematisiert ihre Probleme und konfrontiert den Leser ebenso mit den Ursachen und Hintergruenden einer Flucht aus dem Heimatland. Dabei besticht er durch seine lebendigen Protagonisten, eine differenzierte Darstellung und vor allem durch die Authentizitaet der Geschichte, denn nicht umsonst heisst es zu Beginn: " Alle Aehnlichkeiten mit realen Personen sind beabsichtigt!"

Das Jugendbuch wurde mit dem " Prix des Lyceens allemands " im Maerz 2005 ausgezeichnet.

Belletristik
Anne Chaplet: Sauberer Abgang

Christian Jungersen: Ausnahme

Dagmar von Gersdorff: Die Erde ist mir Heimat nicht geworden

Elke Schmitter: Veras Tochter

Joanna Trollope: Zweiter Fruehling

Karin Alvtegen: Scham

Magdalen Nabb: Eine Japanerin in Florenz

Markus Werner: Am Hang

Nadja Einzmann: Dies und das und das

Nicholas Shakespeare: In dieser einen Nacht

Hoppel-Ich, Meine Fruehlingslektuere, Herausgegeben vom Osterhasen

Paula Fox: Pech fuer Georg

Pia Frankenberg: Nora

Bilderbuecher
Emily Gravett: Achtung, Wolf!

Bilderbuecher - Fussball

Peter Geissler: Fritzi und sein Dromedar

Peter Hacks / Katja Wehner ( Ill.): Prospers Telefon

The Tjong-Khing: Die Torte ist weg!

Thomas Rosenloecher, Jacky Gleich ( Ill.): Das langgestreckte Wunder

Udo Weigelt: Alvina und die fuenf Raeuberhuete

Zeruya Shalev : Mamas liebster Junge

Hoer CD's Belletristik

Margriet de Moor: Sturmflut

Sammy Drechsel: Elf Freunde muesst ihr sein...

Jugendbuecher
Jean-Paul Noziere: total verrueckt
Stephenie Meyer: Bis(s) zum Morgengrauen
Kinderbuch
Hilke Rosenboom: Melissa und die Meerjungfrau

Jennifer Allison: Gilda Joyce in geheimer Mission

Julia Donaldson, Axel Scheffler ( Ill.): Das Riesenmaedchen und die Minipopps

Sally Grindley: Das Maedchen Lu Si-Yan

Sachbuecher

Philip Kiefer: Sammelsurium fuer Kinder

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