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WINTER 2006

REZENSION

WINTER 2006
REZENSION
Belletristik

Belletristik

Margaret Forster: Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild, Arche Verlag, Hamburg 2006, 528 S., 24 Euro

Von der Kraft eines unscheinbaren, kleinen, impressionistischen Bildes erzaehlt Margaret Forster in ihrem Roman, dessen Handlungsverlauf fast ein Jahrhundert umspannt. Ueber allem scheinen zwei Fragen zu stehen: Wie soll man leben? Welche Bedeutung kann die Kunst haben? Aber auch die Raeume, ob in einem englischen Herrenhaus, einem Cottage in Cornwall, einer Villa in Chelsea, einem Apartment an der Themse oder einer Wohnung an der Seine, in denen dieses stille Gemaelde von Gwen John ( 1876-1939) haengen wird, spielen eine tragende Rolle. “ Diese Zufriedenheit, mit sich selbst allein zu sein, war ihre Staerke. Niemand konnte sie fuer lange verletzen. ... Das Zimmer atmete, es umfing sie, es hatte Macht ueber sie, es war nicht leblos.”

Unwillkuerlich denkt man beim Lesen an Virginia Woolfs Essay “ A Room of One’Own”, denn Margaret Forster schildert nicht nur die Odyssee des Gemaeldes, dass mal gestohlen, dann wieder vererbt, verkauft oder geschenkt wird, sondern auch den unmittelbaren Einfluss, den es auf seine Besitzerinnen ausuebt. Im Prolog denkt die junge Gillian Mortimer ueber das Leben der Bilder nach. Welche Geschichte koennten sie erzaehlen? Wie beeinflussen sie die Menschen und welche Rolle haben sie einst fuer ihre Besitzer gespielt? Mit der Geschichte der Malerin Gwen Johns beginnt der Reigen. Sie wird Anfang des 20. Jahrhunderts in Paris das Bild ȁ A Corner of the Artist’s Room in Paris “( ca. 1907 - 1909) malen. Die walisische Kuenstlerin, auch Modell und Geliebte von Auguste Rodin, fand in diesem Werk ihre eigene Bildsprache.

“ Dieses Bild, das war es, was er wollte. “ Zu sehen sind in weichem, gelbschimmernden Licht ein einfacher Korbstuhl, ein Tisch mit einem Glas Primeln, ein Regenschirm und ein Mantel, der laessig ueber dem Stuhl lehnt. Ist er gekommen, der, auf den Gwen schon so lange wartet? Ist es ihr Mantel, den sie nach einem Spaziergang einfach nur ueber den Stuhl wirft. Gelassen wollte die Kuenstlerin auf ihren Geliebten warten, einen Gemuetszustand der Ruhe erreichen. Einfach sollte das Leben sein, gepaart mit innerer Zufriedenheit, fast ereignislos und unkompliziert.

Jede Frau, die in den Besitz des Bildes und seinen Bann geraet, sieht etwas anderes in ihm und faellt Entscheidungen, die mit der Kunst, aber auch ihrem eigenen Leben zu tun haben. Dabei geht es auch um die Eigenstaendigkeit von Frauen, Abhaengigkeiten und individuelle Freiheiten, die sich im Laufe der Zeit fuer Frauen auch veraendert haben. Die junge 16-jaehrige wohlhabende Charlotte erkennt durch das unsignierte, offenbar auch wertlose Bild, dass sie nicht zur Kuenstlerin geschaffen ist. Spaeter wird sie eine Galerie fuehren. Die Krankenschwester Stella kehrt aus dem 1.Weltkrieg mit einem behinderten, vom Krieg seelisch und koerperlich zerstoerten Mann zurueck. Er findet das unauffaellige Bild auf dem Flohmarkt und schenkt es ihr, ohne zu ahnen, welche Konsequenzen dieser Liebesdienst haben wird. Stella ist nicht begabt und trotzdem verharrt sie in der wagen Hoffnung, vom Malen leben zu koennen. Auch sie erkennt durch ihr Bild, dass sie zu solch einer kuenstlerischen Leistung nicht faehig ist. Gwen Johns gelassene Bildkomposition offenbart der jungen Frau aber auch, das sie, und dieses Gefuehl ist ihr schon lang bekannt, mit ihrem jetzigen Leben unzufrieden ist. Die Ruhe des Bildes loest bei ihr das genaue Gegenteil aus. Sie faellt eine folgenschwere Entscheidung, die sie ihr ganzes Leben lang belasten wird.

Mal ist das friedfertige Bild Gegenstand von Streitigkeiten, mal verbindet es. Die Portraetmalerin Lucasta, die das Bild von ihrem Vater geerbt hat, schenkt es ihrem Geliebten zum Abschied, denn sie moechte ihre persoehnliche und kuenstlerische Freiheit zurueck. Er hinterlaesst es seiner Frau, die kurz nach seinem Tod in Florenz bei einem Unfall ums Leben kommt. Ihre Soehne verstreiten sich und das Bild wird an eine Franzoesin mit Kunstverstand verkauft. Sie ahnt, dass das Bild von Gwendolin John ist. In ihrem Haus wird Gillian nach Jahren das Bild wiedersehen.

Jede der sechs Frauen aus unterschiedlichen Generationen geht ihren eigenen Weg und doch verwebt die Autorin feinfuehlig ihre Lebenslinien. Immer wieder wechselt sie die Erzaehlperspektiven und betrachtet auch aus der Maennersicht den Blick auf die Kunst. Mit jeder Trennung vom Bild oeffnet sich eine neue Tuer zu einem anderen Frauenleben und doch stellt Margaret Forster immer wieder Parallelen zwischen den handelnden Personen her, obwohl diese nicht ahnen, dass sie alle im Besitz dieses Bildes waren oder sind. Mit dem Bild und den Frauen begibt sich der Leser auf eine Wanderung durch die Zeiten.

Die Malerin Gwen John wurde vor kurzem neu entdeckt und hatte in der Londoner Tate Gallery eine Gemeinschaftsausstellung mit ihrem Bruder Augustus John.

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