WINTER 2006

REZENSION

WINTER 2006

REZENSION

Belletristik

Linn Ullmann: Ein gesegnetes Kind, Droemer Knaur Verlag, Muenchen 2006, 384 S., 18 Euro

Isak Loevenstad hat das stolze Alter von 84 Jahren erreicht. Er ist der “Inselgreis” von der Ostseeinsel Hammarsoe, ein bekannter Gynaekologe und Frauenversteher. Seine drei Toechter, die gutmuetige Erika, die korrekte Laura und die junge Molly, die alle verschiedene Muetter haben, begeben sich nach Jahren auf den Weg zum geliebten, wie gefuerchteten Vater. In Rueckblenden erinnern sich die Frauen auf der winterlichen Reise nach Hammersoe an ihre Sommer, die Zeit der Kindheit vor 25 Jahren mit der Kinderclique um Rita und die Erlebnisse mit Isak. Er erschien ihnen immer als jemand, der ihre Gedanken lesen konnte. Abrupt enden diese Kindheitserlebnisse, denn ein Unglueck geschieht. Das Spiel der Kinder geht in Gewalt ueber, die Strategien der Inselclique enden mit dem Tod Ragnars. Ragnar, der Aussenseiter und Rebell hoert im Sommer 1979 Jimi Hendrix, traegt schwarze Klamotten und ist einfach nur anders. Erika fuehlt sich von ihm angezogen, schon immer. Sie ist 14 Jahre alt und fuer sie bedeuten die Geschehnisse auf der Insel auch das Ende der Kindheit. Die Erinnerung schmerzt und doch wollen die Frauen sich ihrer Vergangenheit stellen, der Unschuld wie der Schuld, um ihrem eigenen Dasein neue Impulse zu geben.

Auch das vierte Buch der norwegischen Schriftstellerin Linn Ullmann ist gepraegt vom unsentimentalen Blick auf den Zustand menschlicher Beziehungen und der reinen, vorbehaltlosen Darstellung der Konflikte in ihrer ganzen Komplexitaet. In Schweden hat das Buch kontroverse Diskussionen provoziert. Die 1966 als Tochter des Regisseurs Ingmar Bergman und der Schauspielerin Liv Ullmann in Oslo geborene Autorin zeigt normale Menschen in alltaeglichen Situationen, aber hinter der Gewoehnlichkeit steckt ein Geheimnis, eine Erinnerung, eine Schuld. Mit ihrer praezisen, oft bewusst kunstlosen Sprache, den beilaeufigen Anspielungen, den symbolischen Geschichten am Rande zieht Linn Ullmann den Leser zum Kern der Handlung und laesst ihn nicht mehr los.

Anna Enquist: Letzte Reise

Anne Fine: Feuer und Asche

Barbara Honigmann: Ein Kapitel aus meinem Leben

Dara Horn: Die kommende Welt

Leonardo Padura: Adios Hemingway

Linn Ullmann: Ein gesegnetes Kind

Margaret Forster: Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild

Peter Stamm: An einem Tag wie diesem

Richard Powers: Das Echo der Erinnerung

Tim Parks: Stille

Bilderbuecher

Arthur Geisert: Licht aus!